Einer Steuerpflichtigen war auf einer Liegenschaft sowohl ein Fruchtgenussrecht als auch ein
Veräußerungs- und Belastungsverbot eingeräumt worden. Nachdem sie vertraglich auf beide
Rechte verzichtet hatte, erhielt sie eine Pauschalsumme von 500.000 €. Der VwGH musste beurteilen
(GZ Ra 2021/13/0017 vom 24.1.2022), ob und mit welcher Höhe dieser Betrag der
Einkommensteuer zu unterziehen ist.
Gemäß der bisherigen Rechtsprechung des VwGH unterliegt der Verzicht auf ein
Fruchtgenussrecht gegen Entgelt im Privatvermögen regelmäßig nicht der Einkommensteuer, da
eine Übertragung des Rechts anzunehmen ist (die Übertragung entspricht einer Veräußerung, welche
nicht der Einkommensteuer unterliegt). Bei einem entgeltlichen Verzicht auf ein Wohnrecht
handelt es sich um ein Gebrauchsrecht, welches nicht übertragbar ist und somit nach § 29 Z 3 EStG
der Einkommensteuer zu unterwerfen ist. Auch das Veräußerungs- und Belastungsverbot wurde
vom VwGH als nicht übertragbar angesehen, weshalb der entgeltliche Verzicht ebenfalls nach § 29
Z 3 EStG einkommensteuerpflichtig ist.
In dem aktuell vorliegenden Fall musste also beurteilt werden, welcher Teil der Pauschalsumme von
500.000 € dem steuerpflichtigen Veräußerungs- und Belastungsverbot zugeordnet werden kann
und welcher Teil mit dem steuerfreien Verzicht auf das Fruchtgenussrecht zusammenhängt. Die
Aufteilung hat dabei nach objektiven Maßstäben zu erfolgen, wobei in einem ersten Schritt (wenn
möglich) für jede Komponente ein Verkehrswert zu ermitteln ist. In einem zweiten Schritt muss der
bezahlte Gesamtpreis nach dem Verhältnis dieser Verkehrswerte aufgeteilt werden (sogenannte
„Methode des Sachwertverhältnisses“). Diese Methode ist z.B. bei dem Ankauf einer bebauten
Liegenschaft zur Aufteilung des Kaufpreises auf Grund und Boden einerseits und auf das Gebäude
andererseits anzuwenden. In dem gegenständlichen Sachverhalt weicht der VwGH in seiner
Entscheidung von der Methode des Sachwertverhältnisses ab, da ein Verkehrswert für ein
Veräußerungs- und Belastungsverbot nicht ermittelbar ist. Ausnahmsweise kommt also die
sogenannte „Differenzmethode“ zur Anwendung. Hierbei wird zuerst der objektive Verkehrswert
des bewertbaren Fruchtgenussrechts ermittelt. Die Differenz aus der bezahlten Pauschalsumme
und dem bewertbaren Fruchtgenussrecht stellt dann den Wert des Veräußerungs- und
Belastungsverbots dar, welcher einkommensteuerpflichtig ist.